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Der Wunsch nach Veränderung
„Somewhere better than this place” ist ein gerahmter Satz im Büro von Professor Günter Mey. „Nowhere better than this place” steht gleich daneben. Die wenigen Worte verbildlichen die Arbeit des Entwicklungspsychologen: Er schafft Resonanzräume. Mit einer regionalen Studie zur Jugendkultur der DDR gelang ihm das besonders gut.
Text: Bianca Kahl
Mit der Ausstellung „Jugendkultur in Stendal: 1950 bis 1990“ bot Prof. Dr. habil. Günter Mey den Menschen der Altmark an, sich selbst zu reflektieren. 2.500 Menschen nahmen diese Einladung an und befassten sich mit Fotos, Kleidungsstücken und Schallplatten aus der Vergangenheit. Hinzu kamen eine Fachtagung sowie Erzählcafés und Veranstaltungen im Kino und Theater.
Das viermonatige Kulturspektakel basierte auf den wissenschaftlichen Auswertungen von Interviews mit heute 45- bis 80-Jährigen über ihre Jugend und aufwendigen Recherchen von Dokumenten und Artefakten. Es ist ein gutes Beispiel für Meys Arbeitsweise, denn er verbindet gern qualitative Forschung und performative Sozialwissenschaft.
Zeichen der Zeit
„An Jugend interessiert mich vor allem ihre Kreativität – die eigenen Stile und spezifischen Szenen, die sie hervorbringt“, sagt Günter Mey. „Jugendkultur ist wie ein Seismograf für aktuelle Themen in der Gesellschaft.“ Es gehe um Selbstfindung, Zugehörigkeit und um eine Abgrenzung gegenüber früheren Generationen. Das kommuniziert die Jugend auf eine ganz eigene Weise. Diese „Zeichen der Zeit“ können Außenstehende oft nicht verstehen. Wer lernt, sie zu entschlüsseln, lernt auch mehr darüber, was in der jeweiligen Zeit relevant ist.
In Stendal – wie in der DDR insgesamt – war bis 1990 ein Changieren zwischen der Offizialkultur und eigenproduzierter Nischenkultur charakteristisch. Dabei orientierten sich die Jugendlichen an West-Waren: Kleidung, Magazine und vor allem Musikstile. Sie zeigten sich sehr einfallsreich darin, die begehrten Insignien wie die Levi’s-Jeans oder Schallplatten zu beschaffen. Wenn auch die Maxime „Kapitalismus als Provokation“ so recht einfach zu praktizieren schien, riskierten die jungen Menschen Einschränkungen: von kleineren Schikanen im Alltag bis hin zu Eingriffen in ihre Lebenslaufplanungen.
Ländliche Region im Blickpunkt
Die Ausstellung im Altmärkischen Museum in Stendal schaffte einen Resonanzraum, in dem die Besucherinnen und Besucher ihre eigene Jugend gespiegelt fanden. Das regte dazu an, sich neu mit dem Thema auseinanderzusetzen. „Mit unserer Arbeit schließen wir auch eine entscheidende Lücke, denn bisher wurde vornehmlich die Jugendkultur in Westdeutschland und im städtischen Umfeld erforscht“, erklärt der Entwicklungspsychologe.
Mey sieht sich nicht als Chronist. Vielmehr provoziert er gern – genau wie die Jugend – und will wieder neue Reaktionen hervorrufen. Seine Ergebnisse setzt er gern öffentlichkeitswirksam in Szene und schlägt dabei häufig den Bogen zur Kunst. In Stendal hatte er bereits gemeinsam mit Netzwerkpartnern eine Ausstellung in der einstigen JVA initiiert: Ein leerstehendes Kaufhaus ist mit „Skulpturalen Collagen“ belebt worden – Ergebnisse aus einem Studienprojekt zum Thema Heimat.
Neue Perspektiven schaffen
In diese Art zu arbeiten ist Mey sozusagen hineingewachsen. Bereits während seines Studiums Ende der 1980er-Jahre befasste er sich mit Jugendkultur. Sein Dokumentarfilm über die norddeutsche Szene-Diskothek „Hyde Park“ schaffte es bis zur Berlinale. Immer wieder fragt Mey: „Wie kann Forschung eine möglichst breite Öffentlichkeit erreichen?“ Gleichzeitig unterstreicht er seinen Ansatz der Intervention: „Ich will nicht nur verbreiten, ich will verändern.“ Denn Erkenntnisse zur Jugendkultur helfen dabei, viele Fragen zu beantworten: „Wie erreiche ich Jugendliche auf Augenhöhe? Welche (Frei-)Räume benötigen Jugendgruppen und wie können generationsübergreifende Projekte aussehen?“, nennt Mey nur drei Beispiele. In seinem aktuellen Projekt liegen Diskurse rund um Rassismus im Fokus. Diese zeigen sich seit der sogenannten Flüchtlingskrise auch popkulturell. Deshalb befasst sich Mey mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft drei Jahre lang mit Musikvideos der deutschen Hip-Hop-Szene.
Der Wissenschaftler sieht in seiner Arbeit neue Forschungsstränge und Perspektiven, die andere methodische Zugänge erfordern. So werden in seinen Projekten auch Analyseverfahren für audiovisuelle Medien und popkulturelle Artefakte entwickelt. In einer Forschungsarbeit zur Inszenierung von Jugendlichkeit widmete er sich erstmals sogenannten Fanzines, also Magazinen von Fans für Fans. Der Forschungsverbund wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Million Euro gefördert und war 2018 Anwärter für den European Youth Culture Award.
Mehr Forschungsgeschichten im Forschungsmagazin „treffpunkt forschung“ und im Hochschulmagazin „treffpunkt campus“
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Entwicklungspsychologie
Prof. Dr. habil. Günter Mey
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E-Mail: guenter.mey(at)h2.de
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