Brandschutz in Hochhäusern: Minimallösungen im Bestand nicht aufweichen

Prof. Dr. Michael Rost hat den Studiengang Sicherheit und Gefahrenabwehr maßgeblich mit aufgebaut.

Mit der Höhe der Bauwerke wachsen auch die Schwierigkeiten des Einsatzes von Feuerwehren. Brände in Hochhäusern können trotz umfangreicher Sicherheitsmaßnahmen nicht vollständig ausgeschlossen werden und ziehen immer eine große mediale Aufmerksamkeit auf sich. Anlässlich der Veröffentlichung des Fachbuchs „Brandschutz in Hochhäusern“ äußern sich die Autoren Prof. Dr. Michael Rost und Tim-Michael Romahn.

Wie gut ist Deutschland bei den Bauvorschriften für den vorbeugenden Brandschutz im Hochhausbereich aufgestellt?

Die letzte Novellierung der MHHR 2009 (Muster-Hochhaus-Richtlinie) hat einen wichtigen Schritt getan, indem die Grundsätzlichkeit des Schutzes mit Feuerlöschanlagen zur Begrenzung des Brandes auf ein Geschoss explizit vorgesehen wurde, was die Brandbekämpfungsmöglichkeiten der Feuerwehren im Innenangriff deutlich verbessert. Da die MHHR explizit für Neubauten gilt, müssten jedoch perspektivische Entwicklungen besser abgebildet werden. Das sind z. B. Mischnutzungen, Doppelfassaden, Holzbauweisen, energieeffizientes Bauen, Fassadenbegrünung, besondere Hochhausgeometrie und Fotovoltaikintegration. Die derzeitige MHHR leidet, wie das gesamte deutsche Baurecht, an einer Paragrafenlogik. Ingenieurmäßiges Denken ist, wie die gesamten Brandschutzingenieurmethoden, eher die Ausnahme, trotz einiger kleiner Veränderungen in den letzten Jahren. Musterlösungen wie in Schottland, Neuseeland und anderen Staaten könnten eine risikogerechte Gestaltung von Hochhäusern entsprechend den besonderen Schutzzielen befördern.

Welche typischen Problemstellungen gibt es beim Brandschutz in Hochhäusern?

Man muss unterscheiden zwischen Bestandshochhäusern aus dem 20. Jahrhundert und neuen Hochhauskonzepten zu Zeiten des Klimawandels. Dass es zu gravierenden Brandschutzproblemen bei der Personenrettung, der Brandbekämpfung und der Brandausbreitung kommen kann, wurde bei einigen spektakulären Bränden in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts offensichtlich. Damals wurden vor allem Wohnhochhäuser, aber auch zunehmend Bürohochhäuser gebaut. Da die Gebäudehöhen von über 22 m mit der Standardtechnik der Feuerwehren nicht mehr beherrschbar waren, wurden die Redundanz der Rettungswege, die Sicherheitstreppenräume und später die Feuerwehraufzüge zur Gewährleistung des in Hochhäusern immer notwendigen Innenangriffs zum Stand der Technik. Dazu kamen zunehmend Feuerlöschanlagen, um Entstehungsbrände geschossweise zu begrenzen. Während damals die Schutzziele des Brandschutzes vorrangig mit Massivbau erreicht wurden, sind heute die Verwendung klimafreundlicher Werkstoffe wie Holz und besondere Fassadenlösungen wie Doppelfassaden, Atrien und Großraumbereiche, insbesondere bei Mischnutzungen, die Problempunkte.

In Ihrem Buch widmen Sie ein Kapitel der Geschichte von Hochhausbränden. Fällt Ihnen dazu spontan ein Beispiel ein, das einen besonderen Einfluss auf den nachfolgenden Brandschutzdiskurs hatte?

Man muss da unterscheiden zwischen international und national. International ist die Verwendung von brennbaren Dämmstoffen in Außenwänden das zentrale Problem, das zu einer Reihe von spektakulären Bränden geführt hat, z. B. Grenfell in London 2017. In vielen Staaten steht eigentlich der kostenintensive Rückbau dieser Dämmstoffe an, wird aber nur selten begonnen, wie in Schottland. Insgesamt ist die Verwendung brennbarer Dämmstoffe, selbst wenn sie schwerentflammbar sind, das größte Problem im derzeitigen Hochhausbrandschutz. Es ist zukünftig mit weiteren Großbränden in Hochhäusern mit Brandübertragung über die Fassaden zu rechnen, insbesondere dort, wo kein oder wenig Rückbau stattfindet, z. B. in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder in China. Nur die dort teilweise vorhandenen Sprinkleranlagen können die Personenschäden reduzieren.

Welche speziellen baulichen, anlagentechnischen und organisatorischen Brandschutzherausforderungen ergeben sich bei Holzhochhäusern und bei Hochhäusern mit begrünten Fassaden?

Bei solchen zukunftsfähigen Lösungen sind automatische Feuerlöschanlagen die Grundvoraussetzung, um einen Entstehungsbrand wirksam innerhalb einer Nutzungseinheit begrenzen zu können. Schnell auslösende Löschanlagen als Standardlösung sollen eine Brandausbreitung über Holzbauteile oder Fassadenbegrünungen verhindern. Damit ergeben sich neue Gestaltungsspielräume jenseits der aktuellen MHHR unter Anwendung von Brandschutzingenieurmethoden. Hochhäuser in Vollholzbauweise wie im norwegischen Mjostarnet zeigen, dass einerseits Restbauteilstärken die Statik gewährleisten müssen, andererseits die Verbindungselemente der Holzbauteile besonders geschützt werden müssen, da dort im Brandfall die Schwachstellen der Holzbauweise liegen. Schon aus Klimaschutzgründen wird auch der Holzbau bei Hochhäusern zukünftig eine viel größere Rolle spielen als der Massivbau.

Wo liegt der Schwerpunkt der Brandschutzplanung bei Bestandsprojekten?

Bestandshochhäuser sind meist Wohnhochhäuser, die die Anforderungen der aktuellen Muster-Hochhausrichtlinie nicht oder nur teilweise erfüllen, jedoch Bestandsschutz haben. Notwendige Modernisierungen z. B. hinsichtlich der Energieeffizienz führen oft dazu, dass bestehende Minimallösungen aufgeweicht werden. Die Auswertung der internationalen Brandfälle zeigt, dass in Hochhäusern flächendeckende automatische Feuerlöschanlagen (egal, ob Sprinkler oder Wassernebel) i. d. R. die Zahl der Brandtoten entscheidend reduzieren können. Deutschland ist bezüglich der Anwendung automatischer Löschanlagen eher noch Entwicklungsland. Das liegt auch daran, dass im Gegensatz zu angelsächsischen Ländern eher auf die hochleistungsfähigen Feuerwehren, insbesondere auch die freiwilligen Feuerwehren, vertraut wurde und man Löschanlagen, soweit möglich, umgangen hat. Nun geht es nicht darum, alle Bestandswohnhochhäuser mit Feuerlöschanlagen auszurüsten, aber zumindest darum, die Rettungswegführung sauber zu lösen, damit die Personenrettung und der Innenangriff der Feuerwehren gewährleistet sind.

Welche Rolle spielt der abwehrende Brandschutz bei Hochhäusern?

Die Besonderheit besteht in der Notwendigkeit des Innenangriffs und der Erschließung hoher Geschosse mit Feuerwehraufzügen. Ein wirksamer Innenangriff, ausgehend vom Depotgeschoss unterhalb des Brandgeschosses, ist vor allem dann möglich, wenn der Brand sich nur auf ein Geschoss erstreckt. Es muss immer bedacht werden, dass dieser Innenangriff besonders hohe körperliche Beanspruchungen mit sich bringt und deshalb sehr personalintensiv ist, auch infolge der sehr großen Hitzebelastung im Brandbereich. Notwendig ist vor allem ein sehr hoher Ausbildungsstand der Einsatzkräfte für die besonderen Problemlagen im Hochhaus.

Das – hier leicht gekürzte – Interview erschien zuerst auf www.feuertrutz.de. Wir danken für die Erlaubnis, dies zu übernehmen.

Autor Prof. Dr.-Ing. Michael Rost
studierte Brandschutz und promovierte an der TU Magdeburg. Durch die Forschung an Sprinkleranlagen trug er zur Entwicklung und Einführung von Wassernebeltechnik bei. An der Hochschule Magdeburg-Stendal war er Professor für den Studiengang mit Schwerpunkt Brandschutz „Sicherheit und Gefahrenabwehr“ verantwortlich. Als Prüfingenieur Brandschutz im Ingenieurbüro Brandschutz FIROSEC GmbH befasst er sich seit 30 Jahren mit ganzheitlichen Brandschutzkonzepten und betreute mehrere tausend Brandschutznachweise.

Autor Tim-Michael Romahn
studierte „Sicherheit und Gefahrenabwehr“ in Magdeburg und forschte an der Hochschule Magdeburg-Stendal zur Brandschutzbemessung von Sonderbauten. Er ist bei GICON® Großmann Ingenieur Consult GmbH als Projektingenieur im Fachbereich Sicherheitstechnik und seit über 20 Jahren ehrenamtlich im Feuerwehrdienst, davon mehrere Jahre als Wehrleiter, tätig.

Das Buch
Brandschutz in Hochhäusern. Praxisbeispiele für Neubau und Bestand.Von Prof. Dr. Michael Rost und Tim-Michael Romahn. 2023. 176 Seiten. ISBN 978-3-86235-473-3.

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