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Der Bereich des Möglichen
Wie funktioniert Industrie 4.0? Was könnte die digitale Transformation aus dem eigenen Unternehmen machen? Kleine und mittelständische Unternehmen haben meist nicht die Kraft und die Kapazitäten, um sich auszuprobieren und diese Fragen für sich selbst zu beantworten. Die Modellfabrik 4.0 öffnet ihnen ein Schaufenster und zeigt, was zukünftig möglich ist.
Text: Bianca Kahl
Fühlende Maschinen, kraftgeregelte Prozesse mit maximaler Präzision oder künstliche Knie – Industrie 4.0 hat viele Gesichter. „Digitalisierung“ oder „Prozessoptimierung“ sind die Begriffe, die am häufigsten fallen, wenn Tobias Tute und seine Kollegen erklären, was das Ziel ihrer Modellfabrik 4.0 ist. Das Projekt funktioniert wie eine Plattform, auf der die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Hochschule und die Bedürfnisse der regionalen Wirtschaft zusammenkommen. Der Magdeburger Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Harald Goldau formuliert es so: „Diese drei Herren, wie sie hier stehen, sind die Modellfabrik.“ Der Professor für Fertigungstechnik zeigt auf die wissenschaftlichen Mitarbeiter Tobias Tute, Paul Joedecke und Markus Petzold. Diese haben sich in einer Maschinenhalle auf dem Campus versammelt – mittlere Laborhalle, Haus 17. Es ist laut und warm und im Hintergrund wird gearbeitet. Einer aus dem Dreier-Team schaut bereits auf die Uhr, denn draußen wartet noch eine Gruppe von Studierenden auf eine Führung. Die „Lernfabrik“ ist ebenfalls ein Element des Projekts.
Gemeinsam für das große Ganze
Ausgehend von den drei genannten Männern zeigt sich das breite Spektrum der Modellfabrik. Denn ihre Namen stehen für die drei Anwendungsfelder Orthopädie 4.0, Mobilität sowie Maschinen- und Anlagenbau. Die Bereiche spiegeln die Forschungsschwerpunkte des Instituts für Maschinenbau im Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Industriedesign an der Hochschule Magdeburg-Stendal wider und orientieren sich an den Leitmärkten des Landes Sachsen-Anhalt. Je nach Projekt sind also noch viel mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie auch Studierende der Hochschule eingebunden. Die Modellfabrik kooperiert mit zahlreichen Unternehmen und Forschungseinrichtungen und fügt sich in das große Verbundprojekt „TransInno_LSA“ ein. Dieses zielt auf den Transfer zwischen Hochschulen, Wirtschaft und Gesellschaft und bindet dabei auch die Hochschulen Harz und Merseburg mit ein. „Wir sind mit unseren Spezialgebieten dabei“, sagt Harald Goldau, „und forschen bedarfsorientiert und industrienah.“ Markus Petzold versucht es für seinen Bereich etwas plastischer zu formulieren: „Wenn die Lager im Inneren der Windkraftanlagen besonders leicht laufen, dann waren wir das.“ Paul Joedecke konzentriert sich hingegen eher auf die Bedürfnisse der Automobilindustrie und könnte stundenlang über möglichst nachhaltige Technologien im Bereich Elektromotoren referieren. Tobias Tute nimmt derweil ein metallisches Bauteil von einem Tisch und zeigt es. „Das ist ein künstliches Kniegelenk und unser Verdienst ist hier eher oberflächlich“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Denn die Forschungsarbeit für künstliche Implantate konzentriert sich stark auf die präzisen Oberflächen. Sie müssen auf der einen Seite so glatt und fein sein, dass sie keine unnötige Reibung erzeugen und an anderer Stelle rau genug, um gut mit dem natürlichen Knochen zusammenwachsen zu können. Eine enorme Herausforderung, die bei den Wirtschaftspartnern bisher von Hand zu Ende gebracht wurde und hier nun in eine Fabriklösung überführt wird.
Maßgeschneiderte Lösungen
Doch die Modellfabrik hat die passenden Maschinen und Werkzeuge – von den intelligenten Sensoren bis zur Fertigungstechnik – um die individuellsten Bedürfnisse zu erfüllen. Somit bietet die Modellfabrik vor allen Dingen eins: Chancen. „Das Besondere ist, dass wir Fertigung und feinste Messtechnik in einer Maschine verbinden können“, sagt Paul Joedecke. „Wir betreiben hier keine Grundlagenforschung“, ergänzt Tute, „sondern nutzen bestehende Lösungen in Verbindung mit intelligenten Systemen.“ Die Maschinen und Werkzeuge, die eingesetzt werden, müssen also bezahlbar sein. „Den Bereich zwischen Innovationsgüte und seriennahem Einsatz loten wir aus, denn unser Fokus liegt darauf, passende Lösungen für kleine und mittelständische Unternehmen zu finden.“ Kleinere Unternehmen haben in der Regel keine eigene Innovationsabteilung. Die Modellfabrik können sie wie ein Schaufenster nutzen und erhalten einen Einblick in die Technologien der Zukunft. Was ist in eigener Fertigung möglich und was davon ist auch praktisch und realistisch? Die Wissenschaftsteams simulieren die komplette Wertschöpfungskette des jeweiligen Unternehmens – den gesamten Produktzyklus vom Eingang der Materialien über die Verarbeitung bis zum Warenausgang. Dabei sind in erster Linie die Daten relevant. Die Modellfabrik sammelt während der automatisierten Verfahren die Messwerte, die für das jeweilige Unternehmen relevant sind, überträgt sie in Echtzeit und wertet sie aus. Im Falle des Kniegelenkes heißt das: Das Team kann bereits im Vorfeld sagen, ob das Einzelstück den gewünschten Vorgaben entspricht. Das Ziel der individuellen Kooperationen kann ein Prototyp sein oder es werden konkrete Lösungskonzepte erarbeitet, was der Partner in seinen Fertigungsprozessen verändern könnte: Welches Werkzeug sollte angeschafft werden und welche Messtechnik würde die Produktion optimieren? „Wir liefern bevorzugt Lösungen für kleine, regionale Unternehmen und zeigen, was möglich ist“, sagt Tobias Tute. Die Entscheidung zur Umsetzung liegt dann in den Wirtschaftsunternehmen.
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Kontakt zum Forschungsprojekt
Prof. Dr.-Ing. Harald Goldau
Projektgruppenleiter Modellfabrik
Tel.: (0391) 886 44 10
Fax: (0391) 886 41 23
E-Mail: harald.goldau@h2.de
Besucheradresse: Haus 10, Raum 2.32