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Wenn ein Stück Geschichte fehlt
Rein in die Bibliothek und los geht es mit der Recherche. Aber Moment mal. Was, wenn es gar keine wissenschaftliche Aufarbeitung zu einem Thema gibt? Ein Forschungsteam spürt historische Quellen rund um Sachsen-Anhalt auf. Das Ziel: Ein Stück Regionalgeschichte in der Zeit während, vor und nach der Wende aufzuarbeiten. Bei ihrer Suche werden sie von zivilgesellschaftlichen Initiativen unterstützt und erhalten Zugang zu privaten Archiven, Tagebüchern und mehr.
von Michael Lust
Am Institut für demokratische Kultur befasst man sich mit zwei Seiten ein und derselben Medaille: Einerseits steht die Frage im Raum, was demokratische Mitbestbestimmung in einer vielfältigen Gesellschaft stärkt. Andererseits untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts demokratiegefährdende Strömungen wie Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus. Mit dem jüngst gestarteten Projekt „Integrative Demokratieforschung im Land Sachsen- Anhalt“ – kurz „IDLSA“ – setzt das Forschungsteam unter Federführung von Prof. Katrin Reimer-Gordinskaya und Prof. Matthias Quent neue Akzente in der Region.
Es gibt viel zu tun
Eines der Teilprojekte von IDLSA hat sich der Aufarbeitung jüdischer Geschichte in Ostdeutschland verschrieben. Dazu nimmt es insbesondere Stendal und Magdeburg um den Mauerfall 1989 in den Blick. Unterstützung gibt es von Dr. Helge Petersen, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut zu rassistischer Gewalt in Sachsen- Anhalt forscht. Ebenfalls konnten die Forschenden Dr. Anton Hieke für ihr Projekt gewinnen, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg zu Jüdischen Studien lehrt. Doch die Forschenden haben ein Problem: „Es gibt zur ostdeutsch-jüdischen Alltagsgeschichte in der Region keine historische Aufarbeitung“, gibt Reimer- Gordinskaya zu Protokoll. Sie erklärt diesen Umstand u. a. damit, dass Judentum in Deutschland in erster Linie mit „Holocaust und Verfolgungsgeschichte verbunden wird“. Vielen sei nicht bewusst, „dass und wie die deutsch-jüdische Geschichte nach 1945 verlief“, führt die Professorin für Kindliche Entwicklung, Bildung und Sozialisation aus. Hieke führt den Gedanken fort und betont: „Jüdisches Leben ist ebenso vielfältig und individuell, wie das Leben anderer Menschen auch.“ Sogar die Wissenschaft habe dies lange Zeit nicht ernst genommen, nicken die anderen zustimmend. Ähnliches gelte für die Regionalgeschichte rassistischer Gewalt, die Petersen untersucht. Nun steht die Forschungsgruppe vor einem großen Berg Arbeit.
Detektivarbeit par excellence
In Zeiten der Digitalisierung haben es so manche Forschungsgruppen ungemein leichter: von zuhause aus Bücher, Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschriften und andere Quellen mittels intelligenter Verschlagwortung finden. Jetzt nur noch per Knopfdruck downloaden und abspeichern. That's it! In IDLSA stehen die Dinge anders. Damit die inhaltliche Arbeit überhaupt starten kann, müssen die empirischen Daten erst gefunden werden. Die Erschließung solcher historischen Quellen „hat viel mit Detektivarbeit zu tun“, weiß Hieke, der als Historiker der neueren jüdischen Regionalgeschichte oft in Archiven arbeitet. Die Forschenden kom- men nicht umher, große und kleine Stadtarchive, private und ehrenamtlich geführte Selbstarchive aufzusuchen und „in wochenlanger Arbeit persönlich zu sichten“, so Petersen. Die Einrichtungen führen „eine extrem große Zahl an Dokumenten“, doch da z. B. selbstorganisierte Archive nicht immer thematisch sortiert seien, gibt es keine Garantie, fündig zu werden, so der leitende wissenschaftliche Mitarbeiter.
„Diese Forschung wäre unmöglich ohne die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Einrichtungen“ wie Monitoring-Stellen, jüdischen Gemeinden sowie gedenk- und erinnerungs- politischen Initiativen. Die zivilgesellschaftlichen Akteure bewahren und archivieren die historischen Quellen und vermitteln Kontakte, etwa zu privaten Archiven. Sie tragen u. a. dadurch zur wissenschaftlichen Aufarbeitung dieser Themenfelder bei.
Was die Gesellschaft bewegt
Das Ziel von IDLSA ist es, die Umbruchszeit von 1989 als Folie für das Verständnis der aktuellen Auseinandersetzungen um demokratische Kultur zu nutzen. Diese Zeit aus jüdischer und migrantischer Sicht, also aus „Minderheitsperspektive“ zu betrachten, kann helfen „der Realität näher zu kommen“, sagt Dr. Hieke und zwar auch heute, indem „die Perspektiven von Betroffenen in die Debatte um unsere Zukunft stärker einbezogen werden", ergänzt die Professorin. Noch spüren sie Quellen auf, sichten und werten aus. Bald aber wird ein Stück jüdischer und migrantischer Geschichte für die Gegenwart aufbereitet sein.
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