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Was sind deine Kindheitserinnerungen?
Wir tragen sie alle in uns, die schönen wie auch die weniger schönen: Erinnerungen. Besonders die Erinnerungen an unsere Kindheit nehmen einen hohen Stellenwert ein. Wie und woran wir uns erinnern und welchen Einfluss tiefgreifende Ereignisse wie Corona auf die Erinnerungen von Kindern haben, untersucht die Psychologin Prof. Lisa Schröder.
Text: Carolin Maier
Erinnerungen als Teil unserer Identität
Bestimmte Gerüche, ein spezielles Gericht oder ein besonderer Ort lassen uns in alten Erinnerungen schwelgen. Sie machen sentimental, stimmen uns fröhlich oder lassen uns herzhaft lachen. In den ersten Lebensjahren passiert besonders viel Neues: Die ersten Schritte, das erste Wort, der erste Geburtstag. Doch wir erinnern uns an nichts davon. Die Psychologin Prof. Dr. Lisa Schröder, die in Stendal Kindheitspädagogik lehrt, erklärt: „In den ersten Lebensjahren spricht man von einer sogenannten Kindheitsamnesie. Wann die aufhört, hängt auch davon ab, wie häufig Eltern mit ihren Kindern über Erlebtes sprechen.“ Uneinigkeit herrscht darüber, warum wir diese rätselhafte Gedächtnislücke rund um das Kleinkindalter haben. Sicher ist nur: Ab einem Alter von ungefähr drei Jahren beginnen unsere Erinnerungen. Doch wann wird ein Ereignis zu einer Erinnerung und wie prägen sie unsere Gegenwart?
Die Spanne unserer Erinnerungen aus der Vergangenheit ist groß. Wir erinnern uns an den Ausflug ans Meer, an gemeinsame Fernsehabende oder an den Krankenhausaufenthalt. In dieser Ansammlung von Erinnerungen ragen einige aus der Masse heraus und sind von besonders großer Bedeutung für uns. Sie formen unsere Lebensgeschichte und machen uns zu der Person, die wir sind. Als autobiografische Erinnerungen bezeichnet, beeinflussen sie unser Selbstbild und sind somit für die Bildung unserer Identität unverzichtbar. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das autobiografische Gedächtnis. Lisa Schröder erklärt: „Das autobiografische Gedächtnis speichert spezifische und relevante Ereignisse und Erlebnisse, die persönlich relevant sind und mich emotional tangiert haben, auf positive oder negative Weise.“
Erinnerungen an Corona
Prof. Schröder, die schon seit vielen Jahren zum autobiografischen Gedächtnis forscht, sah in der Corona-Pandemie die einmalige Gelegenheit, die kindliche Erinnerung an so ein bestimmtes und weltweit stattfindendes Ereignis zu untersuchen. Grundlagen des Forschungsprojektes mit dem Titel „Lebensgeschichte – Die Perspektive von Kindern auf die Corona-Zeit und ihre Erinnerungen in 3 Jahren“ sind Eltern-Kind-Unterhaltungen. Eltern mit Kindern im Alter zwischen drei und fünf Jahren wurden gebeten, ihre Unterhaltungen aufzuzeichnen. Denn Studien zeigen, dass nicht nur das Erlebte selbst Einfluss auf das spätere Erinnerungsvermögen hat: „Die autobiographischen Erinnerungen an die Pandemie und Entwicklungskonsequenzen werden nicht nur von den Erlebnissen selbst abhängen, sondern auch davon, wie Eltern mit ihren Kindern über diese Erfahrungen sprechen.“ Studien deuten darauf hin, dass Eltern, die mit ihren Kindern erklärend und unter Einbezug von Emotionen über Stressfaktoren sprechen, weniger Verhaltensauffälligkeiten und ein größeres Wohlbefinden aufweisen. In drei Jahren werden die Familien erneut kontaktiert, um die Kinder dazu zu befragen. Besonders in den Blick genommen wird, wie sie die Erlebnisse verarbeitet haben und mit welchen Gefühlen die Erinnerungen behaftet sind. Daran wird untersucht, ob die Art der Erinnerungen in Zusammenhang mit dem Konversationsstil der Eltern steht.
Andere Blickwinkel einnehmen
Ganz besonders spannend findet die Psychologin den Kulturvergleich innerhalb des Projektes, für den sie ein Team aus Wissenschaftler:innen aus Estland, Japan und den USA zusammengestellt hat. „Ich finde es unglaublich interessant und auch wichtig, einen anderen Blickwinkel einzunehmen und nicht immer nur in westlichen Kontexten gewonnene Erkenntnisse als Universalien anzusehen.“ Denn es variiere stark zwischen den Kulturen, wie sich Eltern mit ihren Kindern über Ereignisse unterhalten und welcher inhaltliche Fokus genommen werde. Während man hierzulande eher autonomieorientiert sei und kindzentriert kommunizieren würde, werde in anderen kulturellen Kontexten das Kind als Teil der Gemeinschaft angesprochen. Diese unterschiedlichen Fokusse haben jeweils Einfluss auf die Selbstentwicklung von Kindern. Erste Ergebnisse der deutschen Mutter-Kind-Gespräche (teilgenommen haben ausschließlich Mütter) zeigen, dass die Mütter um ein sachliches Gespräch über Veränderungen innerhalb der Pandemie bemüht waren, wohingegen die Hälfte der Kinder ihren Unmut klar zum Ausdruck brachte. Die Gründe für bestimmte Veränderungen durch die Pandemie wurden von den Müttern kaum thematisiert.
In die Lehre integriert
Einen intensiven Einblick in diese Mutter-Kind-Unterhaltungen erhielten auch Studierende der Kindheitspädagogik. Im Rahmen des Projektstudiums bearbeitete Prof. Dr. Lisa Schröder gemeinsam mit ihren Studierenden einen Teil der Studie für Übungszwecke. Dazu absolvierten sie ein Reliabilitätstraining, um erste Mutter-Kind-Gespräche zu transkribieren, zu kodieren und auszuwerten. Kornelius Wegener, Student der Kindheitspädagogik, empfand den Einblick in die Unterhaltungen zwischen Mutter und Kind dabei als besonders spannend. Insbesondere für Studierende sei es eine wertvolle Erfahrung, theoretische Grundlagen an einem realen Forschungsprojekt zu erproben und dabei typische Stolpersteine kennenzulernen und Lösungswege zu finden.
Und, an welches einmalige Ereignis aus deiner Kindheit erinnerst du dich bis heute?
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