Sich verteidigen, wenn es ernst wird

„Cover Guard“ und „Legstamp“: Mit Kursteilnehmerin Ellen simuliert Redakteur Nico einen Angriff, den es abzuwehren gilt. Fotos: Matthias Piekacz

Aus treffpunkt campus Nr. 76, 01/2014

Das Gefühl, vermeintlich Unnützes zu lernen, ist Studierenden bekannt. Es trotzdem und leidenschaftlich zu tun, fällt schwer. Ich habe das Gegenteil erlebt und mit Begeisterung trainiert, was ich weder in naher, noch in ferner Zukunft wirklich gebrauchen will – beim Probetraining im Selbstverteidigungskurs.

Text: Nico Pfeil

Auf meine Anfrage, sein Sportangebot in treffpunkt campus vorzustellen, reagierte Kursleiter Veit Albrecht knapp: Der Artikel ginge klar, ich solle Jogginghose, Sportschuhe und genug Wasser mitbringen. Das Okay zum Artikel stimmte mich erst einmal zufrieden, den Zweck der Utensilien verriet es aber nicht. Im Nachhinein tat ich gut daran, an alles zu denken. Ich sollte es beim Klettern, Sprinten und Schwitzen brauchen. Denn der Kurs gleicht eher einem sportlichen Survivaltraining als gewaltfreier Kommunikation im Stuhlkreis. Das begriff ich schnell.

Schon beim Aufwärmen ging es zur Sache: Paare bilden, auf die oberschenkel des Gegenüber und schließlich um ihn herum klettern. Skurriler noch war diese Übung: kopfüber auf den Händen durch den Raum tapsen und alle paar Meter Liegestütze stemmen. Auf diese Weise stieg – oder besser fiel – allen das Blut in den Kopf und auch dem letzten der insgesamt 30 Teilnehmer wurde warm. Ich hatte Selbstverteidigung noch nie gemacht und es überraschte mich, körperlich so gefordert zu werden. Gleichzeitig gefiel mir, dass die Fitness nicht vergessen wird und Veit Albrecht eine ganze Reihe solcher Warm-ups im Repertoire hat. Die gebrauchte er auch zwischendurch und hielt uns so bei Laune und auf Temperatur.

Danach kurz verschnaufen und etwas trinken, bevor es ans Eingemachte ging. Für heute standen „Cover Guard“ und „Legstamp“ auf dem Übungsplan. Das aber verschwieg Kursleiter Veit Albrecht, der nicht am Ende, sondern – logisch – vorn anfangen wollte. Auch generell schien der 30-jährige Master-Student ziemlich gut Bescheid zu wissen. Einleitend fragte er uns nach dem wichtigsten Körperteil bei der Selbstverteidigung. Der Kopf, dachte ich spontan – schließlich steuert der alles unter ihm. Falsch. Veit Albrecht zeigte auf seine Beine. Darum übten wir zuerst den festen Stand, wenn jemand schubst. Dann den festen Stand mit seitlichem Wegducken, im Fachjargon „Cover Guard“ genannt. Und schließlich mit Wegducken und Abwehr. Die Abwehrmethode richtig auszuführen erfordert Geschick – sowohl beim Ausführen, als auch beim nachträglichen Beschreiben. Vereinfacht ging es so: Nach dem Weg- ducken gegen Schienbein und Füße des Angreifenden treten – „Legstamp“ – ein Trick dabei bringt selbigen zu Fall. Wer den ebenfalls bildlich umschrieben möchte, besuche bitte ein Probetraining: Donnerstag, 19 Uhr, in der Sporthalle 2, Zschokkestraße.

Schritt für Schritt verinnerlichte ich die komplexe Wegduck-Abwehr-Übung. Das war anspruchsvoll, meine Bewegungen glichen dem Robo-Dance aus den 1980er-Jahren. Später klappte es dynamischer. Das verdankte ich der Zeit zum Wiederholen und der Geduld meiner Übungspartnerin Ellen. Sie hatte es nicht immer leicht mit mir – und das buchstäblich – dafür aber eine Menge Spaß. Der darf in den 90 Minuten nicht zu kurz kommen, weiß Veit Albrecht: „Ich mache hier keinen Wettkampfsport, sondern wir üben Verteidigungsverhalten verschiedener Sportarten. So kannst du dich im Ernstfall schützen und erstarrst nicht wegen des Stresses.“

Der Besuch des Hochschulsportkurses Selbstverteidigung war die Zeit, die zwei bis drei blauen Flecken, die vielen Liegestütze und den Schweiß wert. Etwas gelernt habe ich obendrein. Eine Einladung, mich probehalber anzugreifen, soll das aber nicht sein.

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