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- Soziale Arbeit: Tom Bruchholz
Mehr Kritik in der Sozialen Arbeit
Die Soziale Arbeit braucht kritische Menschen, meint Absolvent Tom Bruchholz, Geschäftsführer des Landesjugendwerks der Arbeiterwohlfahrt Sachsen-Anhalt e. V. Foto: Christina Balsam
Aus treffpunkt campus Nr. 92, 05/2016
Demografischer Wandel, Kinderarmut oder Flüchtlingsarbeit: Tom Bruchholz sieht die Soziale Arbeit vor großen Herausforderungen und wünscht sich vor diesem Hintergrund vor allem von der Politik, aber auch in der Gesellschaft mehr Anerkennung für den Einsatz der Akteure. Bis 2006 studierte er den Diplom-Studiengang Sozialpädagogik. Heute ist er Geschäftsführer des Landesjugendwerks der Arbeiterwohlfahrt Sachsen-Anhalt e. V.
Interview: Christina Balsam
Warum haben Sie sich für dieses Studium entschieden?
Nach der Schule hatte ich zunächst eine Ausbildung als Industriemechaniker bei der Deutschen Reichsbahn absolviert. Angesichts der nahezu völligen Deindustrialisierung in den 1990er-Jahren in Ostdeutschland war mir jedoch relativ schnell klar, dass ich in diesem Job keine Zukunft haben werde. Zum Studium kam ich dann über meinen Zivildienst an einer heilpädagogischen Schule.
Was war das Besondere am Studium?
Theoretische Inhalte wurden mit einem hohen Praxisanteil gut verknüpft. So hatten wir neben den praktischen Semestern auch die Möglichkeit, durch Exkursionen und Studienfahrten viele Bereiche der Sozialen Arbeit kennenzulernen und zu vertiefen. Ich erinnere mich an Fahrten nach Riga, Kopenhagen, Hamburg und Auschwitz. Aber auch die Mitarbeit in Gremien der Hochschule haben wir genutzt, um unserem Wissen aus dem Studium einem Praxistest zu unterziehen. Es war eine sehr bewegende Zeit. Die Landesregierung, allen voran der damalige Kultusminister Jan Hendrik-Olbertz, haben damals ohne Rücksicht auf Verluste und ohne Weitblick die Hochschulen kaputtgespart und selbst profilierte Studiengänge zerschlagen. Wir haben das damals nicht unwidersprochen hinnehmen wollen und mehrere Kundgebungen und Demonstrationen auf dem Domplatz organisiert. Auch an eine Mahnwache auf dem Bahnhofsvorplatz gegen die Schließung des Studiengangs Heilpädagogik erinnere ich mich. Auch wenn wir damals mit den Protesten nur kleinere Korrekturen erreichen konnten, so haben wir bei diesen Aktionen wichtiges Handwerkszeug gelernt und zahlreiche Kontakte geknüpft, die im späteren Berufsleben an vielen Stellen hilfreich waren.
Wie kamen Sie zu Ihrem jetzigen Job?
Eine Kommilitonin fragte mich während des Studiums, ob ich im Vorstand des Landesjugendwerks der Arbeiterwohlfahrt (AWO) mitmachen wolle. Ich wusste damals relativ wenig über die AWO und auch darüber, was es bedeutet, in einem Vorstand tätig zu sein. Nur zwei Wochen später wurde ich als stellvertretender Vorsitzender in den Vorstand gewählt, in dem ich dann vier Jahre ehrenamtlich tätig war. Als ich meine Diplom-Arbeit abgegeben hatte, habe ich mich auf die freie Stelle des Jugendbildungsreferenten beworben. Seither arbeite ich dort.
Warum sollte man Soziale Arbeit studieren?
Egal, ob demografischer Wandel, Kinderarmut oder Flüchtlingsarbeit: Die Soziale Arbeit steht vor großen Herausforderungen. Diese mit Fachwissen, persönlichem Engagement, kritischem Denkvermögen und demokratischen Idealen zu gestalten, ist eine spannende Aufgabe und persönliche Herausforderung zugleich für jeden Sozialarbeiter.
Welchen Tipp haben Sie für Studierende?
Ich finde es wichtig, beim Studium auch nach links und rechts zu schauen und sich kritisch mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Inhalte auswendig zu lernen, bringt in der Sozialen Arbeit nur wenig. Die Soziale Arbeit braucht kritische Absolventinnen und Absolventen, die nicht alles ungefragt hinnehmen, stattdessen aber Zusammenhänge erfassen und lösungsorientiert handeln können.
Würden Sie sich noch einmal für das Studium und diesen Job entscheiden?
Wenn die Anerkennung und Wertschätzung der Sozialen Arbeit in der Gesellschaft ein akzeptables Maß erreicht hat und die politischen Akteure bereit sind, Soziale Arbeit und vor allem Jugendarbeit ausreichend und langfristig zu finanzieren, dann würde ich mich jederzeit wieder für dieses Studium und diesen Job entscheiden.
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