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Erst die Arbeit, dann das Vergnügen
Mit einem Tonbandgerät ausgestattet finanzierte sich Dr. Helene Kneip während ihrer Studienzeit ihren Traum vom Fallschirmspringen. Foto: privat
Aus treffpunkt campus Nr. 94, 02/2017
40 Jahre zurückblicken? Diesem Gedanken konnte Dr. Helene Kneip am Anfang nicht viel abgewinnen. Aber: Angestoßen von der Frage, treffpunkt campus Einblicke in ihre Studienzeit zu gewähren, kamen längst vergessene Erinnerungen hervor, die die Professorin für Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Gesundheitsökonomik schließlich doch teilen wollte.
Text: Dr. Helene Kneip unter Mitarbeit von Sebastian Berens
Nach dem Abitur und der ersten Arbeit im Ausland – es handelte sich um einen Job als Erntehelferin bei der Weinlese in Südfrankreich – begann ich im Sommersemester 1971 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn mit dem Studium der Volkswirtschaftslehre. Ich hatte mich bereits vor meinem Frankreichaufenthalt für dieses Studium immatrikuliert und wurde von meinem Freund, den ich bei der Weinlese kennenlernte und später auch heiratete, in meinem Studienwunsch bestätigt. Er studierte bereits Volkswirtschaftslehre im ersten Semester, allerdings an der Technischen Hochschule Aachen. Heute unterrichtet er im Übrigen als externer Dozent im berufsbegleitenden Bachelor- Studiengang Betriebswirtschaftslehre in Stendal.
Nach der Zwischenprüfung wechselte mein Freund von der TH Aachen zur Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. Gleichzeitig hatte ein Langzeitstudierender eine zündende Idee: Er gründete die sogenannte Skript AG. Hierbei handelte es sich um einen „Verlag“, der die Mitschriften der Studierenden an die Kommilitoninnen und Kommilitonen verkaufte. Die Studierenden, die ihre Mitschriften zur Verfügung stellen wollten, mussten diese in getippter Form abgeben. Auch mein Mann und ich wurden von dem Studenten angesprochen. Von da an bereiteten wir viele Vorlesungen schriftlich auf und erhielten zum Semesterende immer einen größeren Geldbetrag. Unsere Renner waren Skripte zu Wirtschaftssystemen, Verkehrspolitik, Konjunkturtheorie und Marketing. Es gab sogar das Gerücht, dass ein Professor unser Skript später zur Vorbereitung seiner Vorlesung benutzte.
Unsere Skripte waren unter anderem deshalb so gut, weil wir während der Vorlesungen ein kleines Tonband mitlaufen ließen. Da ich selbst nicht so technikaffin war, übernahm diese Aufgabe immer mein Freund. Zu Hause wurden die Bänder abgehört, Unklarheiten in der Bibliothek nachgelesen und dann die Skripte auf der mechanischen Schreibmaschine, der Gabriele, getippt.
Als mein Freund einmal nicht anwesend war, hatte ich die tragende Aufgabe, das Tonband zu bedienen. Wohl war mir bei dem Gedanken nicht. Das Gerät befand sich in meiner Tasche, das Mikrofon versteckt auf dem Hörsaaltisch. Schon zehn Minuten vor dem Bandwechsel wurde ich nervös, weil ich dies noch nie gemacht hatte. Der wichtigste Moment des Tages rückte immer näher. Dann war es so weit. Ich schaute wie gebannt nach vorne auf den Dozenten und drückte gleichzeitig in meiner Tasche auf eine Taste. Der Behälter für die Kassette öffnete sich im Zeitlupentempo, ich drehte das Band, steckte es ohne hinzusehen zurück in den Behälter, drückte ihn zu und stellte wieder auf Aufnahme. Ich hatte es geschafft. Zufrieden lehnte ich mich zurück – war doch ganz einfach, dachte ich. Doch alle Anwesenden schauten zu mir. Und dann hörte ich es. Der Professor war zweimal mit unterschiedlichen Inhalten zu hören. Ein Teil kam von vorne vom Pult, der andere Teil aus meiner Tasche. Das war so peinlich, zumal der Professor mit einem Mal nicht mehr weiterredete, sondern sich selbst sehr angetan lauschte.
Durch die Skript AG konnten wir uns den Traum vom Fallschirmspringen erfüllen, bis ich mir einmal bei einer unsanften Landung das Sprunggelenk brach. Von da an wurde es weniger aufregend, aber dafür fordernder im Beruf. Ich arbeitete für viele Jahre in einem Forschungsinstitut, dem wissenschaftlichen Institut der Ärzte Deutschlands, was besonders interessant war, weil ich hierüber viele Länder und Menschen kennenlernte. Nach der Leitung einer Stiftung sowie der Tätigkeit als Geschäftsführerin eines kleinen Ärzteverbandes kam ich schließlich vor zehn Jahren zur Hochschule Magdeburg-Stendal. Was mir besonders am Herzen liegt, ist, die Studierenden von der europäischen Idee zu überzeugen. Wenn mir das gelingt, bin ich zufrieden.
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