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Studieren in einer Männerdomäne
Unendliche Welten und lebenslange Freundschaften: 1997 zog Prof. Dr.-Ing. Kati Jagnow ins Studentenheim nach Wolfenbüttel und lernte dort ihre Freunde Matthias und Ralph kennen. Mit ihnen konnte sie nicht nur schrauben, sondern auch in fremde Galaxien reisen. Foto: privat
Aus treffpunkt campus Nr. 101, 01/2019
Weibliche Ingenieure sind, auch wenn die Zahl in jüngster Zeit gestiegen ist, nach wie vor eine Rarität. Dabei spielt das Geschlecht, zum Beispiel bei der Lösung von Klimaproblemen, gar keine Rolle, weiß Prof. Dr.-Ing. Kati Jagnow. Für treffpunkt campus blickt die Professorin für Energiekonzepte und Anlagenoptimierung zurück auf ihre Studienzeit und macht Abiturientinnen Mut für ein Technikstudium.
Text: Prof. Dr.-Ing. Kati Jagnow
Mein Berufswunsch war lange unklar. Ich hatte diverse Interessen, aber nichts Konkretes im Kopf. In der Nachwendezeit herrschte in meiner Heimatstadt Potsdam einerseits Aufbruchstimmung, andererseits auch große Verunsicherung. Unsere Eltern waren zurückhaltende Ratgeber, was das Finden eines zukunftssichereren Jobs anging – sie kitteten gerade die Brüche in ihren eigenen Biografien.
Glücklicherweise bin ich mit Zielstrebigkeit und Selbstvertrauen gesegnet. Also lief die Sache pragmatisch ab, wie noch oft in meinem Leben. Der Autor K. H. Bock half mir dabei. Sein Buch „Studien- und Berufswahl“ hatten wir in der zwölften Klasse geschenkt bekommen. Ich las es mir durch und strich nach und nach alles, was gar nicht ging. Es blieb eine ingenieurlastige Mischung von etwa zehn Berufen übrig. Nach einem klärenden Besuch beim Arbeitsamt war die Entscheidung gefallen: Krankenhausbetriebstechnik an einer Fachhochschule sollte es sein. Da gab es 1996 gute Perspektiven. Das Berufsbild sah mich an der Schnittstelle zwischen Technik und Gesundheitswesen. Das konnte ich mir gut vorstellen. Danach wurde alles leichter, weil mein Weg klar war und sich die nächsten Schritte abzeichneten. Studienort aussuchen – die Wahl fiel auf die Fachhochschule Braunschweig-Wolfenbüttel im östlichen Niedersachsen – Bewerbungsunterlagen anfordern, Wohnheimplatz anmelden und einen Praktikumsplatz finden.
Mit dem Abi in der Tasche fingen meine Freunde im Herbst '96 an der Uni an. Ich trieb mich stattdessen auf Baustellen herum, denn das Studium verlangte 26 Wochen Vorpraktikum für alle ohne Berufserfahrung. Den größten Teil davon absolvierte ich bei der Haus- und Versorgungstechnik GmbH in Potsdam. Ich installierte WCs, zog Kabel und schnitt bei knackigem Frost auf dem Hof Edelstahlrohre auf Länge. Dass ich eine Frau war, war kein Thema, solange ich anpackte und der Laden lief. Nach vier Wochen Installation ließ man mich – das Küken – den Druck auf die Wasserinstallation geben. Und ich war stolz wie Oskar, weil alles dicht war.
Im Februar 1997 zog ich nach Wolfenbüttel ins Studentenwohnheim. Es war großartig! Ich traf auf 18 Jungs und zwei Mädels, mit denen man über die Reparatur von Fahrrädern und Wasserkochern philosophierte, vor der Glotze Nudeln aß, Dart spielte oder über den Warp-Antrieb bei Raumschiff Enterprise quatschen konnte, ohne schief angeguckt zu werden. Ruckzuck hatte ich Freunde fürs Leben. Sie heißen Matthias und Ralph, Christina und Rainer.
Unser Sommersemester startete mit 21 Erstis, fast alle älter als ich und außer mir ausnahmslos männlich. Das waren mehrheitlich gestandene Schornsteinfeger, Heizungsbauer, Kältetechniker und technische Zeichner. Wir lernten gemeinsam, Heizkörper und Gasnetze zu dimensionieren und quälten uns durch Strömungsmechanik. Von außen betrachtet fiel die Quote 1:20 bestimmt auf, von meiner Innensicht her nicht. Es zählte, was in allen technischen Studienrichtungen wichtig ist: Du brauchst einen Plan, ein gutes Maß Ingenieursverstand, eine Menge Durchhaltevermögen und gute Freunde.
Besonders mit einem, György aus Hamburg, habe ich vom ersten bis zum letzten Tag des Studiums zusammengeklebt – in allen Projekten, Laboren und Vorlesungen. Wir organisierten auch gemeinsam unser Praxissemester, welches uns 1999 nach Maryland führte. Getrennte Jobs, aber eine gemeinsame WG mit drei werdenden Ingenieuren aus Mannheim und einem Schrottauto, das uns dennoch überall hinbrachte: von Toronto bis Miami. Die Weltsicht erweiterte sich, das Wissen und der Freundeskreis ebenso – die Frauenquote blieb.
2001 habe ich nach einem Studienfachwechsel meinen Abschluss als Ingenieurin für Technische Gebäudeausrüstung gemacht, später an der Uni Dortmund zur Optimierung von Heizungsanlagen promoviert und bin vor ein paar Jahren an die Hochschule Magdeburg-Stendal gekommen. Mein Arbeitsumfeld ist mehrheitlich männlich geblieben. Und das stört mich genauso wenig wie am ersten Tag. Es ist zweitrangig, weil es unsere Aufgabe ist, gemeinsam Probleme zu lösen, wie beispielsweise die Erreichung der Klimaziele.
Erst heute denke ich über das Verhältnis von Männern und Frauen im Berufsleben nach. Vor allem, weil mir oft die Frage gestellt wird, ob das Studium nicht schwer war als Frau in einer Männerdomäne. Und ich kann positiv reflektieren: Nein, das war es nicht. Danke dafür, Jungs!
Mehr Erinnerungen an die Studienzeit in „Lehrende und ihre Studienanfänge“
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