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Bayrisch lernen im Trachtenverein
Neben dem Studium engagierte sich Prof. Dr.-Ing. Yongjian Ding im chinesischen Studierendenverein. Schon damals sah er sich als Vermittler deutscher und chinesischer Kultur und organisierte 1981 eine Nationalfeier in München. Foto: privat
Aus treffpunkt campus Nr. 95, 03/2017
Trachten, Bier und Oktoberfest: Ein Regierungsstipendium führte Prof. Dr.-Ing. Yongjian Ding 1980 an die Technische Universität München (TUM) – für den damals 21-jährigen Chinesen ein Kulturschock. Vom Exoten unter 600 Elektrotechnik-Studierenden wurde er zum Vermittler der chinesischen und inzwischen auch deutschen Kultur. Für treffpunkt campus blickt der Professor für Steuerungstechnik und Automatisierungssysteme zurück auf seine Studienzeit, in der die Eletrotechnik für China unverzichtbar war.
Text: Prof. Dr.-Ing. Yongjian Ding unter Mitarbeit von Katharina Remiorz
Was bedeutet es, für einen jungen Menschen Anfang 20 aus einem ganz anderen Kulturkreis sowie einem Land direkt nach der sogenannten Kulturrevolution und einer jahrzehntelangen internationalen Selbstisolation in München zu studieren? Ein Kulturschock ungeahnten Ausmaßes. Doch je jünger man ist, desto anpassungsfähiger ist man. Ich habe mich sehr schnell an die neue Umgebung gewöhnt und den Anschluss sowohl im Unibetrieb als auch an das bunte Stadtleben in München gefunden. Ein Grund hierfür war die gute Betreuung der TUM und der verschiedenen „China-Vereine“ in der Stadt. Neben mir gab es neun weitere Chinesen, die an der TUM studierten. Unsere Mission war vom damaligen Staatsführer, dem Reformer Deng Xiaoping, persönlich angeordnet worden: vom Westen zu lernen, um später nach der Rückkehr beim Aufbau des „Sozialismus chinesischer Prägung“ zu helfen.
Wie viele andere ausländische Studierende hatte auch ich das Problem, dass ein Jahr Deutschintensivkurs nicht ausreichte, um alles in der Vorlesung zu verstehen. In der ersten Physikvorlesung wurde ich mit den Zusammenstößen der „Kügeli“ konfrontiert und wunderte mich über die verschiedenen Dialekte in Deutschland bzw. der Schweiz. Bis ich bei verschiedenen Dorffesten und Veranstaltungen der Trachtenvereine etwas mehr als die Hälfte der Unterhaltung in Oberbayrisch verstehen konnte, vergingen fast zwei Jahre. Dabei lernte ich natürlich auch verschiedene Biersorten kennen, obwohl ich in China kein einziges Mal Alkohol getrunken hatte.
Von den zehn Studierenden aus China studierten fünf Elektrotechnik. Die Studienplätze wurden damals vom Bildungsministerium in Peking und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst zugeteilt. Unter den etwas mehr als 600 Elektrotechnikern des Jahrgangs waren wir die Exoten aus dem „mysteriösen Rotchina“. Viele deutsche Studierende hielten anfangs trotz gewisser Neugier vorsichtig Abstand zu uns. Die Bereitschaft, uns in die Lerngruppen aufzunehmen, stieg erst als bekannt wurde, dass zwei von uns eine 1,0 in der relativ schweren Klausur der höheren Mathematik erhielten. Mein Mathe-Prof war erstaunt, dass ich keinen einzigen Fehler hatte, und bot mir an, in den Studiengang Mathematik zu wechseln. Das Angebot lehnte ich jedoch dankend ab, denn ich wusste, wie wichtig der elektrische Strom für China war. Ich wuchs bei meinen Großeltern in einer Ortschaft in Ostchina auf und musste meine Hausaufgaben hin und wieder bei Kerzenschein erledigen, da der Strom abgestellt wurde, damit die Bauern ihre Reisfelder bewässern konnten.
In meiner Freizeit engagierte ich mich im chinesischen Studentenverein. Die Mitglieder waren fast ausschließlich Chinesischstämmige aus Hongkong, Malaysia, Singapur usw. Obwohl ich keine Ahnung vom Vereinsrecht in Deutschland hatte, war ich neugierig und ließ mich in den Vorstand wählen. Bald darauf wurde ich sogar Vorsitzender. Ich organisierte verschiedene Kulturfeste, gewann Sponsoren und lernte dadurch nicht nur interessante Leute kennen, sondern auch meine eigene Redefähigkeit zu trainieren. Die Erfahrungen, die ich dabei sammelte, halfen mir bei Vorträgen auf wissenschaftlichen Tagungen und in der Industrie sowie bei Messeauftritten und sind mir noch heute bei Vorlesungen von Nutzen.
Unter der Rolle eines ausländischen Studenten habe ich nie gelitten. Mir war immer bewusst, dass aus meinen positiven oder negativen Verhaltensmustern pauschalisierte Schlüsse gezogen werden können. Im Ausland hatte ich also mehr oder weniger eine Zusatzaufgabe: Den Menschen mein Herkunftsland und seine Kultur zu vermitteln. Das tue ich auch heute noch nach fast 40 Jahren. Gleichzeitig betrachte ich mich auch als Vermittler deutscher Kultur und Ingenieurskunst in China. Darin sehe ich die größte Bedeutung des studentischen Austauschs zwischen verschiedenen Ländern und Kulturen.
Mehr Erinnerungen an die Studienzeit in „Lehrende und ihre Studienanfänge“
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