Neue Perspektiven in DC

Downtown – ein Viertel aus Glas. Foto: Thomas Schön
Auf dem Weg zum ARD-Hauptstadtstudio. Foto: Thomas Schön
Sightseeing stand auf der Tagesordnung. Foto: Thomas Schön

Journalismus bedeutet, Dinge aufzuzeigen, die andere nicht sehen. Journalismus bedeutet, auch über den eigenen Tellerrand zu schauen. Mit dem Lehrprojekt „International Journalism“ flogen zwölf Studierende zusammen mit Prof. Dr. Claudia Nothelle, Professorin für Fernsehjournalismus, und Englischdozentin Leigh Love nach Washington DC, um den Präsidentschaftswahlkampf besser zu verstehen und sich mit der journalistischen Arbeit im Ausland vertraut zu machen. Eine Reise in Zeiten von Corona.

Text: Laura Meng

Für die meisten von uns war es der erste Besuch in den Vereinigten Staaten. Washington DC sahen wir alle zum ersten Mal. Hier innerhalb von zehn Tagen einen umfangreichen Videobeitrag zu produzieren, das war wohl für uns alle eine neue Erfahrung. Ein anderes Arbeitsumfeld, eine andere Sprache und eine Deadline
verwandelten die Reise in einen Spagat zwischen Sightseeing und journalistischer Arbeit. Denn auch wenn der Schwerpunkt unserer Reise ganz klar auf der Politik lag, so wollten wir doch auch einen allgemeinen Eindruck von der US-amerikanischen Kultur – und des American Way of Life – gewinnen.

Gemeinsam mit Studierenden der University of South Carolina Upstate sollten wir in unserer Zeit in Washington DC vier Videobeiträge produzieren. Einzige Voraussetzung: Das Thema spielt rund um den Präsidentschaftswahlkampf und interessiert junge Menschen. Da war die Auswahl natürlich groß; viele Ideen standen im Raum. Schließlich einigten wir uns auf die Stimmen und Stimmung der jungen Wählerinnen und Wähler, den Umgang mit der Klimakrise, das Rassismusproblem und den „Transgender Military Ban“, ein Gesetz, mit dem die Trump-Regierung transidenten Menschen verbietet, im Militär zu dienen.

Schon visuell ist Washington DC eine äußerst interessante Stadt. Alles sieht so aus, wie man es von Bildern kennt, und doch erscheint die Hauptstadt, als würde man durch Kulissen laufen. Alles ist etwas zu groß, etwas zu weitläufig; Monumente sind überall in der Stadt verteilt und die Häuserfassaden, entweder aus Glas oder vergangene Baustile imitierend, wirken nahezu unecht.

Auch die Menschen verhalten sich anders, als wir es in Deutschland gewohnt sind. Man wird häufiger gegrüßt, schneller in Smalltalk verwickelt. Dafür ist es deutlich schwieriger, ein tiefgründiges Gespräch zu führen. Gerade unbequeme Themen werden gern vermieden.

Dennoch gab es viele interessante Diskussionen im Speisesaal unseres Hostels mit Menschen aus den verschiedensten Staaten manchmal bis in die Nacht hinein. Natürlich wollten wir Washington nicht nur touristisch erleben. So haben wir zwar auch das Capitol besichtigt, aber mindestens so interessant waren die Begegnungen mit Vertreterinnen und Vertretern der Demokraten und Republikaner. Bereitwillig haben sie all unsere Fragen beantwortet – und das waren nicht wenige.

Auch an anderer Stelle konnten wir Sightseeing mit spannenden Gesprächen verknüpfen. Das ARD-Studio liegt mitten im idyllischen Vorort Georgetown – und die Auslandskorrespondentin Claudia Buckenmaier und der Auslandskorrespondent Stefan Niemann diskutierten mit uns über ihren Beruf und den amerikanischen Wahlkampf. Einen besonders spannenden Einblick in die Welt der Medien konnte uns der amerikanische Investigativjournalist Charles Lewis verschaffen: Schon 2014 – also deutlich vor Trump – hat er mit „935 Lies“ das Augenmerk auf Lügen, Manipulationen und Faktenverdrehungen gelenkt. Sein Buch beschäftigt sich vor allem mit George Bush, aber in unserem Gespräch lag der Fokus auf der Gegenwart. Gern würden wir alle Band 2 seines Buchs lesen, aber – so sagt er – zurzeit hat er zu viele andere Recherchen und Themen.

Andere Reisepläne mussten kurzfristig geändert werden, der CoVid19-Virus wurde von Tag zu Tag ein größeres Thema – und das soziale Miteinander änderte sich merklich: Ein Gespräch mit dem Journalisten Patrick Cooper von National Public Radio (NPR) fand deshalb nur per Skype-Call statt und das Hockeyspiel – hier versprachen wir uns, mal echte amerikanische Freizeitkultur zu erleben – wurde aus Infektionsschutzgründen abgesagt.

Glück hatten wir beim Holocaust-Museum, der Library Of Congress und dem Museum of African American History – sie schlossen jeweils kurz nach unserem Besuch. Die allgegenwärtige Corona-Sorge machte auch unsere journalistische Arbeit nicht leichter. Interviews und Veranstaltungen fielen aus, Sicherheitsmaßnahmen wurden verschärft. Das Interview im Krankenhaus für Veteraninnen und Veteranen durfte unsere Transgender Military Ban-Gruppe deshalb auch nur mit Atemschutzmasken führen. Die „Fridays for Future“-Demo fand gar nicht erst statt.

Doch auch wenn wir oft umplanen mussten und unsere Tagesabläufe sehr eng getaktet waren, standen am Ende unserer Reise vier professionelle Videofilme. Wir hatten geschafft, was wir erreichen wollten: Ein Auge und ein Sprachrohr für andere zu sein, damit nicht nur wir einen neuen Eindruck von einer der größten Nationen der Welt bekommen würden.

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