Keeper räumt den Campus auf

Der Keeper entstand in Eigeninitiative des Industrial-Design-Studenten Yaroslav Svakha. Binnen sechs Monaten entwickelte er einen Roboter, der darauf trainiert ist, Zigarettenstummel zu erkennen und aufzusammeln. Seine Premiere hatte er beim Campus Day und der Langen Nacht der Wissenschaft am 25. Mai 2019. Fotos: Matthias Piekacz

Aus treffpunkt campus Nr. 103, 03/2019

Technik befindet sich in einem ständigen Wandel zwischen Neuentwicklung und Verbesserung. Science-Fiction-Filme wie „I, Robot“ sind schon lange keine Fiktion mehr, sondern nehmen allmählich Gestalt an. Zwar gibt es noch nicht in jedem Haushalt NS-5-Robots, doch die Forschungen zu künstlicher Intelligenz laufen auf Hochtouren, auch an der Hochschule.

Text: Sarah Krause

Zehn Jahre ist es her, dass mich ein Film dermaßen packte und mitriss. Gespannt staunte ich über die technische Ent- wicklung und folgte Will Smith auf seiner Jagd nach Sonny. „I, Robot“, ein Science-Fiction-Film der frühen 2000er, scheint heute immer mehr der Realität zu entsprechen. Künstliche Intelligenz, kurz KI, ist brandaktueller denn je, wobei nicht wirklich von einer Intelligenz zu sprechen ist als vielmehr von einer Datenverarbeitung.

Was dem Geiste entspringt

Auch Industrial-Design-Student Yaroslav Svakha ist fas- ziniert von der KI, die „die schiere Überlegenheit gegenüber dem Menschen darstellt.“ Zwischen Studium und Freizeit ließ er seiner Kreativität freien Lauf und tüftelte an einem einzigartigen Plan: „Ich habe mich vor einiger Zeit mit dem Thema vertraut gemacht, mich verliebt und beschlossen, mich ausgiebiger damit zu beschäftigen“, verrät der 26-Jährige. So entstand die Idee, einen eigenen Roboter – den Keeper – zu entwerfen und zu programmieren. „Prinzipiell kann er für verschiedene Aufgaben eingesetzt werden. Für die Vorführung am Campus Day und der Langen Nacht der Wissenschaft habe ich ihn trainiert, Zigarettenstummel aufzusammeln, da so die Funktion sehr gut gezeigt werden kann“, verrät der gebürtige Ukrainer. Als Vorlage diente ein Vorläufermodell, eine etwas kleine Ausgabe des heutigen Keepers, den er für ein Unternehmen zum Unkrautjäten entwickelte.

Damit Yaroslav sich in Ruhe seinem Roboter widmen kann, werkelt er meist nach Einbruch der Dunkelheit im Haus neun. Hier tüftelt er nächtelang am Keeper und forscht praxisbezogen auf dem Feld der künstlichen Intelligenz. Die Grundlagen erlernte er im Fach Physical Computing. Was ihm daneben noch an Wissen fehlte, eignete er sich im stundenlangen Selbststudium an. Ein Unterstützer da- bei: der YouTuber „Two Minute Papers“, der wissenschaftliche Publikationen verschiedener Institute und Universitäten zu künstlicher Intelligenz erläutert und verlinkt.

Was im Gehäuse steckt

Und wie funktioniert der Keeper nun? Während ein Computer mit hoher Geschwindigkeit Informationen vorwiegend sequentiell und Lebewesen mithilfe von Neuronen parallel verarbeiten, setzt sich eine künstliche Intelligenz aus einer Kombination beider Eigenschaften zusammen. Der Keeper verfügt daher über ein neuronales Netzwerk. 

Dieses Netzwerk hat den Vorteil, dass es parallel arbeitet und somit viele Neuronen gleichzeitig nutzen kann. Wie sie miteinander interagieren, kann Yaroslav auf seinem Bildschirm in Echtzeit mitverfolgen: „Eine künstliche Intelligenz ist eine Bibliothek an Lösungen, wobei das System immer den einfachsten und schnellsten Lösungsweg findet“, zeigt er sich begeistert.

Zusammengebaut wurde er aus mehreren Modulen: dem Fahrwerk, dem Werkzeugmodul und dem Kern. „Der Kern ist sozusagen das künstliche Gehirn, bestehend aus mehreren Sensoren und Minicomputern“, erklärt Yaroslav. Mehrere Arduinos, besser bekannt als Microcontrollersysteme, werten die Sensoren des Fahrwerks aus und sorgen dafür, dass Yaroslavs Befehle an die Motoren weitergegeben werden. Somit können Anweisungen wie das Fahren und Greifen nach Zigarettenstummeln ausgeführt werden. Über den Arduinos sitzt der Raspberry – nein, keine Himbeere, wie wir sie kennen, sondern ein kleiner Rechner in Chipkartengröße. Dieser ist für die Datenverarbeitung mittels KI zuständig.

„Um die Umgebung zu erfassen, arbeite ich mit Echtzeitkamerabildern“, beschreibt Yaroslav die Funktionsweise. „Da ich nicht für alle erdenklichen Situationen Programme für deren Behandlung schreiben kann, nutze ich ein neuronales Netz. Dieses wird zunächst mit Bildern bekannten Inhalts trainiert und ist so später in der Lage, auch unbekannte Bilder entsprechend den gewünschten Kriterien zu bewerten“. Die Neuronen schauen auf alle Bildpixel und registrieren helle sowie dunkle Flächen. Diese Information geben sie an andere Neuronen weiter. Auch diese verarbeiten die aufgenommene Information. Durch Farbgebung können sie beispielsweise horizontale und vertikale Kanten ausfindig machen, die dann zu konkreten Formen und Figuren zusammengesetzt werden. So lernt die KI, Gegenstände wahrzunehmen und einzuordnen.

Wichtig dabei ist, dass der künstlichen Intelligenz nicht nur die Bilder vorgesetzt werden, die sie identifizieren soll, sondern auch ein Beispielbild mit der richtigen Lösung: „Dafür füge ich ein Bild von einer Umgebung ein, bei dem ich die Zigarettenstummel markiert habe. So weiß der Keeper, was er tun muss. Momentan antwortet, also reagiert er zu 97 Prozent richtig“, erzählt Yaroslav voller Stolz.

Was seine Arbeit ausmacht

Gefertigt wurden die Einzelteile des kleinen, weißen Roboter-Konstrukts übrigens aus Polylactide, für den Laien auch einfach Polymilchsäure genannt, ein vergleichsweise preisgünstiges 3D-Druck-Material. Die Kosten seines Roboters trägt Yarolsav komplett allein. Allein die Herstellung des größten Teils hat 32 Stunden gedauert.

Sechs Monate lang feilte er an seinem Keeper, bis er bereit für seinen Einsatz auf dem grünen Campus war – alles in kompletter Eigeninitiative. „Ich arbeite gern praxisbezogen und möchte zeigen, wie ich entworfene Konzepte auch technisch umsetzen kann.“ Durch die Arbeit mit dem Roboter konnte Yaroslav die Grundlagen für sein bevorstehendes Praktikum im Prototypenlabor schaffen. Auch hier wird er sich mit künstlicher Intelligenz auseinandersetzen, diesmal an lebenden Bienen. Dabei sollen Einsatzmöglichkeiten einer KI zur Erkennung von Parasiten und anderen Problemen an Honigbienen evaluiert werden – ebenfalls ein ambitioniertes Projekt, das Yaroslaw Tag und Nacht beschäftigen wird.

Was unsere Studierenden sonst noch so treiben, liest du in „Und neben dem Studium?“.

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