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Fairer Stoff
Aus treffpunkt campus Nr. 103, 03/2019
Mit kleinen Kleidchen aus alten Laken hat alles begonnen, damals an Omas Nähmaschine. Inzwischen steht Betsy Peymann, die an der Hochschule BWL studierte, vor ihrem eigenen Fashionstore, immer noch überwältig von den Eindrücken des letzten Jahres. „natürlich.lokal.fair” ist ihr Slogan, ihr Statement für Magdeburg. Die 26-Jährige zeigt, dass faire Mode auch sexy sein kann.
Text: Katharina Remiorz
Schon als Kind saß Betsy Peymann neugierig neben ihrer Oma und beobachtete die ratternde Nähmaschine. Schneiderin müsste man sein. So wie Oma aus scheinbar schlichten Stoffen Neues, ja Schönes schaffen. Genauso wie es auch schon die Großtante, die Schwester ihres Opas, machte: Einfach das Land verlassen und in neuen Gefilden, im fernen New York, ein eigenes Fashionlabel gründen.
Na gut ... ganz so weit weg musste es dann doch nicht sein. Denn Betsy, eigentlich Elisabeth, fühlt sich in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt sehr gut aufgehoben. Anfang des Jahres ging für sie der Wunsch, den sie seit ihrer Kindheit akribisch verfolgte, in Erfüllung. Im März war dort – scheinbar ganz plötzlich – im Breiten Weg ein Laden eingezogen, über dessen Eingang in weißen Lettern ihr Name prangt: Betsy Peymann. Ein unbeschreibliches Gefühl, sagt die 26-Jährige mit feuchten Augen. „Am Tag des Pre-Openings wurde das Schild aufgehängt”, erinnert sie sich, „erst da habe ich gemerkt: Es ist so weit und ich bin Inhaberin eines eigenen Geschäfts.”
Weg mit den Filzstulpen: Fair ist sexy
Auf dem Schaufenster direkt neben der Eingangstür mit der Nummer 175 steht ihr Slogan geschrieben: „natürlich. lokal.fair”. Von Mode für Männer und Frauen, Accessoires und Lifestyleprodukten wie Federmäppchen, Notizblöcke oder Trinkflaschen – hier gibt es nichts, das nicht fair und umweltschonend produziert wurde. Von muffigen Filzstulpen oder Palettenmöbeln fehlt weit und breit jede Spur. „In den letzten fünf bis sieben Jahren ist die Nachfrage und somit auch das Angebot fairer Mode rasant gestiegen. Unsere Kleidung ist modisch und zeitlos. Wir möchten Menschen so davon überzeugen, über Nachhaltigkeit nachzudenken. Faire Mode kann auch sexy sein.” Betsy setzt u. a. auf trendige Jeans und Pullover von Marken wie ArmedAngels, Bleed, Jan'n June und Verena Bellutti. Neben Bio-Baumwolle gibt es viele weitere nachhaltige Stoffe, aus denen die Kleidung besteht, beispielsweise Leinen, Tencel und recyceltes Polyester.
Nie den Faden verlieren
Das Konzept wirkt stimmig, was wenig wundert, hatte Betsy ihren Plan doch schon gut ein halbes Leben ins Auge gefasst. Auf einem Bauernhof in Celle aufgewachsen, inspiriert von Oma und Großtante, wusste sie schon früh, wohin die Reise gehen soll. Nach der Schule absolviert sie eine Ausbildung zur Mode- und Designassistentin in Hannover, lernt dort alles von der Pike auf: von der Gewinnung der Rohstoffe, der Zusammensetzung der Fasern, der Technologie von Textilien, Trendrecherche und Illustration, Schnitt-erstellung und dem Entwerfen und Nähen von Kleidungsstücken. „Ich nenne das immer ganz liebevoll ‚die kleine Schneiderausbildung'”, lacht Betsy und gibt zu: „Ich habe mich immer geärgert, dass ich nicht in allem gut war und habe deshalb manchmal an mir gezweifelt, ob das überhaupt ein Beruf für mich ist.” Heute sagt sie zwinkernd: „Man muss nicht alles können, sondern kann bestimmte Aufgaben auch outsourcen.”
Wen interessiert denn Modekram?
2013 entscheidet sich Betsy für ein anschließendes BWL-Studium auf dem Campus in Stendal. „Natürlich hätte ich auch ein Modedesignstudium anschließen können”, aber den beruflichen Erfolg von den Einschätzungen ihrer Profs abhängig machen? Das kam für sie nicht infrage: „Kreativität ist nicht bewertbar”, ist sie sich sicher. Und nach fünf Jahren Studium fühlt sie sich umso mehr in ihrer Entscheidung bestärkt. „Anfang des Studiums war ich immer die gelernte Mode- und Designassistentin, die in jeder Vorlesung zeichnete und bei der alle dachten: ‚Was will die eigentlich?' Aber ich wusste, ich brauche dieses Studium, um selbstständig zu sein.”
Mit jedem Semester wurden ihre Pläne für die Zukunft konkreter, die Studieninhalte umso spannender. Sie saugte sie förmlich auf. „Ich bin ein sehr praktischer Mensch und BWL kann schnell theoretisch, ja langweilig werden”, gesteht sie. Nicht aber an der Hochschule: „Wir hatten sehr viele Praxisprojekte, Bezüge zur freien Wirtschaft und auch unsere Professoren stammen zum Teil aus der Praxis. Das hat mir wirklich sehr geholfen.”
Stolz und Vorurteil
Nach ihrem Abschluss kam sie nur kurz von ihrem Weg ab, fürchtete, dass sie nach dem Studium beruflich nichts vorzuweisen hätte. „Ich habe eine Zeit lang als Projektmanagerin gearbeitet. Aber das Studium hat mir so viel Wissen an die Hand gegeben, dass ich inzwischen ein gutes Standing habe und für mich sagen kann: Ich bin so weit. Ich möchte selbstständig sein.” Im Frühjahr 2018 startet die damals 25 Jahre alte Absolventin in die zwölfmonatige Gründungsphase, schreibt einen Businessplan, entwickelt Meilensteine, geht auf Immobiliensuche. Monatelang stand sie unter Adrenalin, musste sich gegenüber Kommentaren wie „Frau Peymann, sind Sie sicher, dass Magdeburg noch ein Bekleidungsgeschäft benötigt?” behaupten, hatte sogar extra einen KfW-Gründerkredit aufgenommen. „Davon hatte ich meiner Mutter lange nichts erzählt”, schmunzelt Betsy verlegen. Doch die Sorgen, auch darüber ob überhaupt jemand faire Mode kaufen wolle, blieben unbegründet. Ein Jahr später steht sie nun hier und betrachtet ihr Ladenschild. Der Stolz ist ihr anzusehen. An ihr erstes verkauftes Teil erinnere sie sich noch gut, verrät sie lachend. „Unser Grafiker hat sich eine Hose von KnowledgeCotton Apparel gekauft und den Bon als Andenken daran eingerahmt.”
Erst shoppen, dann schlürfen
Inzwischen hat sie ihren Kundenkreis deutlich erweitert. Vor allem am Nachmittag herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, aber auch Verweilen. „Einer der Gründe, warum wir den Laden aufgemacht haben, ist, dass wir auch gern ein Shoppingerlebnis schaffen möchten.” Sich Gedanken darüber zu machen, wie dies gelingen kann, sei insbesondere in Zeiten der Digitalisierung von Bedeutung: „Wir müssen attraktiver sein als ein Onlineshop. Deshalb haben wir nicht nur einen Verkaufs- und Beratungsbereich für faire Mode, sondern auch ein Café mit ausgewählten Heißgetränken und Limonaden, vegan und bio.” Dass das Konzept aufgeht, zeige sich in ihrem sehr ausgeprägten Sozialleben, das Betsy seit ihrer Ladeneröffnung führt und von dem sie grinsend berichtet. Unterstützung vor und hinter der Theke erhält sie von ihren Kolleginnen Sophie und Anja, die das Interesse für faire Mode von Hause aus mitbringen.
Die Preise in ihrem Store liegen über denen der in Massenproduktion hergestellten Billigmode, aber das soll auch so sein. „Natürlich kostet faire Mode etwas mehr, aber wenn man lernt, Kleidungsstücke selbst zu nähen, wenn man weiß, wie lange das dauert und wie viel der Stoff kostet, kann man nicht nur drei Euro für ein T-Shirt ausgeben.” Vor allem ihre Ausbildung habe diese Einstellung geprägt. „Kleidung ist nicht einfach nur ein Stück Stoff, sondern sollte etwas sein, an dem wir lange Freude haben oder das wir auch mal zum Schneider oder Schuster bringen, wenn etwas damit ist. Das ist in der Masse noch nicht angekommen.”
Die erste eigene Linie
Betsy hat Pläne. Viele Pläne. „Aktuell haben wir unser Lager hier unten”, sagt sie und zeigt auf eine Tür hinter dem Beratungsraum. Platz gäbe es aber noch in der zweiten Etage ihres Mietobjektes. So wäre der Weg frei für Baby- und Kinderbekleidung, aber auch Schulungsräume beispielsweise für Nähkurse wären eine Option. „Mein Wunsch ist natürlich immer noch, irgendwann meine eigene Kleidung zu entwerfen. Wenn es sich ergibt, führe ich ab und an eigene Teile vor. Das ist toll, weil ich ein direktes Feedback erhalten kann”, freut sich Betsy. „Wenn es funktioniert und wir nach einem Jahr merken, dass uns die Kunden Rückenwind geben, dann geht die Eigenmarke mit zeitloser Mode zusätzlich in den Verkauf.”
Die Absolventin gibt sich optimistisch. Warum auch nicht? Bisher hat sie alles geschafft, was sie sich vorgenommen hat. Ihre Art und Weise, auch mit Downs umzugehen, inspiriert, ja steckt an. „Oft wird man von der Realität eingeholt und biegt mehrfach im Leben falsch ab. Dann entscheidet man sich wieder um, bildet sich weiter, lernt neue Menschen kennen – das prägt.” Zweifel hatte sie auf ihrem Weg kaum. Nur mit 21 fragte sie sich, ob sie vielleicht doch etwas „Bodenständigeres” hätte lernen sollen. Aber das gehöre zum Älterwerden dazu, meint sie: „Heute empfinde ich mich als Glückspilz, morgens in meinen Laden zu gehen und das machen zu dürfen, was ich wirklich liebe. Das hätte ich mir vor fünf Jahren nicht vorstellen können. Aber die Reise ist noch nicht zu Ende.”
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