Sanitation for all

In Bangladeschs Hauptstadt Dhaka leben über acht Millionen Menschen. Ein Teil von ihnen in teils informellen Zeltsiedlungen – weit weg von jeglicher Infrastruktur auf engstem Raum. Ohne Abwassersystem fehlen jegliche Arten von sanitären Einrichtungen in den städtischen Slums. Von den Zuständen vor Ort überzeugte sich Mona Mijthab im August 2010 im Rahmen eines sechsmonatigen Praktikums. Sie verbrachte viel Zeit mit den Menschen im Slum, führte Gespräche, Gruppendiskussionen und Feldstudien durch. Alles für das Ziel, eine saubere und nachhaltige Sanitärlösung zu finden. Foto: Mona Mijthab
Die städtischen Slums versinken im Müll und in Fäkalien. „Man braucht einen langen Atem“, sagt Mona über ihre Entwicklungsarbeit. Bevor die Toilette ins Haus kommt, muss sensibilisiert werden – und zwar in Sachen Müllentsorgung, Nutzung sanitärer Anlagen und der Reinhaltung der Wasserquellen. Foto: Mona Mijthab
Während der Entwicklungsphase und ihres ersten Aufenthalts in Dhaka, ging Mona (l.) von Tür zu Tür, um den Bewohnerinnen und Bewohnern das Projekt vorzustellen und herauszufinden, welche Vorstellung sie haben. Zugleich wollte sie testen, ob sich solch ein Trennsystem überhaupt etablieren kann und die Menschen vor Ort ein Verständnis dafür entwickeln können. Foto: Mona Mijthab
Mona Mijthab hat Industrial Design an der Hochschule studiert. Was 2010 mit einem sechsmonatigen Praktikum begann, ist in nur acht Jahren zu einer Revolution in der Entwicklung von Sanitärlösungen geworden. MoSan – Mobile Sanitation ist der Name ihres Unternehmens, mit dem sie eine mobile Toilette, die nachhaltig und leicht zu verwenden ist, in Entwicklungsländern wie Bangladesch, Kenia und Guatemala etabliert. Schon während ihres Studiums interessierte sich Mona vor allem für den Bereich Produktentwicklung. Zugute kam ihr während der Entwicklung der Sanitärlösung, dass sie bereits vorher Modellbauerfahrungen in einem Töpferkurs sowie Erfahrungen in der Arbeit mit den natürlichen Materialien Ton und Clay im Studium gesammelt hat. Foto: Mona Mijthab

Aus treffpunkt campus Nr. 100, 04/2018

Der Zugang zu einer anständigen Toilette: für viele Menschen, vor allem in Entwicklungsländern und Krisengebieten, nicht selbstverständlich. In den Slums von Bangladesch wurde Mona Mijthab 2010 mit einer prekären Situation konfrontiert – und entwickelte „MoSan”.

Text: Nancy Thiede

Eine bambusverkleidete Hütte mit Teppichboden. Schwüle Hitze. Frauen, Kinder und Männer sitzen im Kreis auf dem Boden und blicken auf ein großes, weißes Papier mit Skizzen. Eine junge Frau aus Deutschland hält die Zeichnung in den Händen. Mithilfe eines Dolmetschers erklärt sie den Bewohnerinnen und Bewohnern eines städtischen Slums in Bangladesch ihre Vision einer mobilen Toilette und somit sauberen und gesunden Zukunft.

Anhalten bis zur Dunkelheit

Die Welt verändern – ein Stück besser machen. Das wollte Mona Mijthab, als sie 2010 ihr Praktikum bei der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) begann. Es widmete sich dem Thema „Urban Governance Infrastructure Improvement”, also der Verbesserung von Infrastruktur, Straßenbau, Wasserqualität und Sanitär. Mona war auf dem Weg Designerin zu werden und sah in diesem Projekt die Möglichkeit, etwas Gutes zu tun. Schnell war klar, dass im Bereich Sanitär etwas benötigt wurde, das hierzulande selbstverständlich ist: eine Toilette. Und zwar nicht irgendeine, sondern eine mobile Toilette, die kreislauforientiert ist und es zulässt, die Endströme zu recyceln.

Kaum Infrastruktur, keine Abwassersysteme und teilweise illegale Siedlungen mit Hütten, in denen drei Generationen auf circa fünf Quadratmetern zusammenleben. Zur Toilette geht man im Freien oder im nächstgelegenen Gewässer. Das war der Ist-Zustand, den Mona vorfand, als sie im August 2010 das erste Mal nach Bangladesch reiste. Besonders schwer haben es Frauen: „Falls eine öffentliche Toilette gebaut wird, ist es für sie aus kulturellen und sozialen Gründen schwer, diese zu benutzen. Tagsüber gehen Frauen gar nicht zur Toilette, da es als schmutzig gilt und verpönt ist. Sie trinken kaum etwas, was sich negativ auf ihre Gesundheit auswirkt”, erklärt Mona Mijthab die prekäre Situation.

Würde und Umweltschutz vereinen

Die Herausforderungen des Projekts waren immens: nicht nur das Entwickeln, Designen, Planen und Herstellen der mobilen Toilette standen im Fokus. Viel wichtiger war es, die Bedürfnisse der Menschen vor Ort zu erkennen und in den gesamten Entwicklungsprozess einzubeziehen. Eine erste wichtige Erkenntnis: Es musste sich um eine mobile Sanitärlösung handeln. „Wenn der Monsun kommt und der Slum verlassen werden muss, haben wir von einer Zementstruktur gar nichts. Diese würde zerstört und die Toiletten überflutet”, so Mona. Viel wichtiger – und auch schwieriger – war für die Designerin neben der Gestaltung ein Sammelsystem zu entwickeln, welches es zulässt, die Fäkalien zu trennen und sie sicher und hygienisch zum Recycling zu transportieren. Dabei standen die Würde des Menschen und der Schutz der Umwelt im Mittelpunkt der Entwicklung. Als sie das erste Mal nach Bangladesch reiste, hieß es für Mona, von Tür zu Tür zu gehen und die Menschen vor Ort zu befragen. Mit diesen Eindrücken und Erkenntnissen ging es zurück nach Deutschland.

Viele Stunden verbrachte Mijthab damit, ihre Eindrücke zu sortieren und Entwürfe anzufertigen. Nach dem mehrmonatigen Praktikum entschied sie sich, ihre Bachelorarbeit über die nachhaltige Sanitärlösung für Entwicklungsländer zu schreiben. Unterstützung fand sie in ihrem Fachbereich – auch interdisziplinär wurde gearbeitet, zum Beispiel im Bereich Composite-Technologien. Mehrere Testläufe wurden direkt vor Ort in den Slums durchgeführt. Dazu dienten zuerst einfache Modelle, bestehend aus Eimern und Campingtoilettensitzen. Mit den Erkenntnissen aus den Testläufen wurde das Design weiterentwickelt und in Deutschland zu einer Gussform umgesetzt. Die Modelle wurden von Magdeburg nach Bangladesch geschickt und dort in Kleinserie produziert.

Sanitäre Revolution

Als Mona 2015 ihre Masterarbeit an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) schrieb, entwarf sie ein komplettes Sanitärsystem, dessen Kern die mobile Toilette darstellt. Die Idee, sanitäre Lösungen in Form von „Campingtoiletten” in Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen, ist nicht neu. Ihr Modell namens MoSan ist allerdings in vielerlei Hinsicht einzigartig: Der ökologische und kreislauforientierte Ansatz ist für einen weltweiten Einsatz konzipiert und bezieht die Nutzerinnen und Nutzer beim Aufbau vor Ort mit ein. Außergewöhnlich ist auch der nachhaltige Ansatz von MoSan: Die Trennung der Ausscheidungen in Kombination mit der sicheren Entsorgung und Wiederverwertung ist einmalig auf der Welt. Das Konzept gewann zahlreiche Preise, darunter den BESTFORM-Award 2013 und den Schweizer Seif-Preis für soziales Unternehmertum.

MoSan finanziert sich über den Aufbau des Systems – Gemeinden oder Hilfsorganisationen zahlen. Der Verkauf der Recyclingprodukte und die Aufbereitung der Exkremente werden gegen eine Lizenzgebühr von Franchisenehmern übernommen. Nach der Entwicklungsphase in Bangladesch vor acht Jahren wurde MoSan optimiert und mittlerweile in Kenia und dem Sudan getestet. Weitere Pilotprojekte für Mexiko und Guatemala sind geplant. „Bis 2030 sollen die Toiletten einer Million Menschen in Entwicklungsländern und Krisengebieten zugutekommen”, erklärt die Erfinderin. Nach wie vor ist sie fasziniert, welchen Umfang ihr Projekt angenommen hat und begeistert, dass es weiterwächst.

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