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Tobias Breitkopf
Elefant
„Hallo ihr Lieben, schaut euch das mal an. Hier sind überall Elefanten“, kommt aus dem Lautsprecher meines Handys. „Heute bin ich bei einer Hilfsorganisation für verwaiste Elefantenbabys. Guckt euch mal an, wie süß die hier alle sind! Und der Kleine erst“, höre ich weiter. Ich schaue auf mein Display und sehe Lisas neu hochgeladenes Instagram-Video. Mit anderen läuft sie über trockenes Braun, aus dem fleckenweise hellgrüne und gelbe Grashalme herausragen. Die kleinen Elefanten toben durchs Bild und kleine Staubwolken hinterher. Erst von rechts nach links, dann direkt zwei von links nach rechts und ein noch kleinerer Racker direkt hinterher. Das Video hat schon über 300 Likes. In den Kommentaren finden sich neben Nachrichten in den unterschiedlichsten Sprachen der Welt auch die verschiedensten Herz- und Kuss-Emojis. Die Kommentarspalte ist rosarot und kommt der aktuellen Flut an Nachrichten nicht hinterher. Ständig erscheinen neue Kommentare. Ich schließe die Kommentare und gehe zurück zum Video. Nun sehe ich einen üppigen Regenwald, bevor Lisa ihre GoPro schwenkt und sich das Bild auf ihr Gesicht richtet. Lisa lacht. Ein kleiner Elefantenrüssel zieht an ihrer Schulter und der Mitarbeiter der Hilfsorganisation versucht den kleinen Elefanten wegzuziehen. „Alle scheinen so viel Spaß zu haben“, denke ich mir und sage, „Lisa lacht immer. Lisa lacht wirklich immer. So ist Lisa. Lisa hat viele Freunde. Lisa spielt Volleyball. Und Lisa kann ganz viele Sprachen. Lisa kann Englisch, Französisch, Deutsch, Russisch. Jetzt macht Lisa Urlaub. Überall auf der Welt. Lisa kann alles.“
Ich klicke auf ihr Profil. Ich sehe, dass Lisa 1.943 Profile abonniert hat. Mich finde ich aber nicht in der Liste. Weiter unten gibt es verschiedene Bilder zu sehen: Fotos mit ihren Freundinnen, ihrem Freund, ihren Eltern, im Flugzeug, mit Abiturzeugnis und eins im eigenen Auto. Ich scrolle wieder zurück zum Video und lese die Videobeschreibung: „Was für eine wunderbare Welt! Gestern Australien, heute Sri Lanka und morgen die ganze Welt. #Freiheit #Traveln #SriLanka“.
„Sri Lanka? Ich kenne das. Ich bin Tamilin. Kennst du? Sri Lanka ist ganz schön weit weg, ne? Meine Eltern sind oft da. Meine Oma wohnt ganz allein auf Sri Lanka. Dort gibt es Elefanten. Elefanten sind sehr selten“, sage ich.
„Gleich geht es für dich in den Urlaub.“, höre ich. „Sie fährt zum dritten Mal in Folge mit diesen Leuten von YAT-Reisen in die Uckermark. Diesmal wird Shiva aber von einem anderen Reiseassistenten abgeholt. Frank, der Reisebegleiter aus den Vorjahren ist leider plötzlich erkrankt. Schade, nicht wahr? Dafür fahren aber deine Arbeitskollegen, die Monika, der Bernd und der Mario, mit. So bist du auch nicht allzu alleine“. Plötzlich Stille im hektischen Treiben der Pflegerinnen, ehe ich das respektlose Geschwafel mit einem einfachen „Jah“ beantworte. „Diesmal schlafen sie in der Nähe von Prenzlau in einem Bungalow. Das ist billiger“, erzählt die eine Pflegerin weiter. „Die vier kennen sich ja eh schon ganz lange. Sie waren früher alle in einer Klasse und sind jetzt schon seit fünf Jahren Arbeitskollegen in der Werkstatt. Das wird schon gut laufen“, höre ich vom anderen Ende des Flurs, bevor die Komische wieder fragt: „Was macht ihr noch mal genau auf der Arbeit?“. Wir tun Katzenfutter in eine kleine Tüte. Jeden Tag. Bis 86 Gramm. Dann ist Stop“, antwortete ich und ergänze „Manchmal machen wir auch was anderes. Dann holen wir neue Tüten“.
Wenn ich endlich im Urlaub bin, dann kann ich hoffentlich einiges unternehmen. Ich habe gesehen, dass wir, wenn das Wetter am Donnerstag gut ist und Timo der Betreuer auch Lust hat, in den Naturerlebnispark fahren werden. Die Ziegen, Kühe und Vögel in dem Park interessieren mich nicht. Wenn ich ehrlich bin, dann möchte ich viel lieber in den Stettiner Zoo fahren, dort ein Foto mit einem Elefanten machen und es dann per Instagram an Lisa schicken. Vielleicht wird Lisa dann auch mal auf mein Profil aufmerksam, sieht sich meine Bilder und Nachrichten an und fängt ganz vielleicht auch mal an mit mir zu Schreiben. Dann sehe ich auch mal was anderes als überall nur Affen.