Exkursion mit „Gruselfaktor“

Wer an der Hochschule Magdeburg-Stendal den Master-Abschluss in Ingenieurökologie machen möchte, hört im Modul „Umweltplanung“ auch meine Vorlesung „Genehmigungsverfahren und Prüfinstrumente“. Meist am späten Montagnachmittag, nach einem schon recht langen Vorlesungstag, versuche ich, meine Studierenden noch einmal aus der Reserve zu locken, gebe ihnen Einblick in planungsbegleitende Genehmigungsverfahren, die Einbindung der Träger öffentlicher Belange und außerbehördliche Prüfinstrumente zur Projekt-Qualitätssicherung. Relevante Themen für zukünftige Umweltingenieurinnen und -ingenieure, das sehen alle ein, daher ist mein härtester Gegner dabei lediglich der Biorhythmus, denn der Tag wird „nach hinten raus“ dann doch recht lang.

Als Fachreferent im Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt kann ich die Studierenden jedoch einmal in jedem Kurs in das Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben mitnehmen. Die sogenannte „vierte Sohle“, auf der zwischen 1971 und 1998 insgesamt 37 000 m³ schwach- und mittelradioaktive Abfälle eingelagert wurden, kann normalerweise nicht besucht werden. Doch für uns macht das zuständige Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung eine Ausnahme. Die Fachleute von morgen sollen Einblicke aus erster Hand bekommen, wie die Sicherheit eines Endlagers – auch des zukünftigen für hochradioaktive Abfälle, das übrigens sicher nicht am Standort Morsleben errichtet werden wird - für die kommende Million Jahre garantiert werden soll.

37 000 m³ - das ist ein Würfel von gerade einmal gut 33 m Kantenlänge. Der größere Anteil der radioaktiven Abfälle wurde übrigens erst nach der Wende in Morsleben eingelagert.

Am 19. Juni war es also wieder soweit: Die Regionalbahn bringt uns frühmorgens nach Marienborn; die restlichen, wenigen Kilometer werden bei recht unangenehmem Nieselregen mit dem Fahrrad zurückgelegt, das Wetter meint es an diesem Tag nicht allzu gut mit uns. Doch das tut der Stimmung keinen Abbruch. Nach einem einführenden Vortrag und der Diskussion einiger Fragen, die den Studierenden auf den Nägeln brennen, fahren wir am späteren Vormittag gut 400 Meter in das ehemalige Salzbergwerk Bartensleben ein. Komplett neu eingekleidet, mit Helm, Geleucht und Selbstretter, ist unser Ziel eben jene vierte Sohle, auf der sich die Studierenden mit der Technologie der Einlagerung der strahlenden Altlasten aus der ehemaligen DDR und dem wiedervereinigten Deutschland vertraut machen können. Ansonsten zu sehen: viel Salz, ein bisschen Ton, und das Mineral Anhydrit, das für ein Endlager weniger günstige Eigenschaften hat als Salz und Ton, und einiges an Bergbautechnik.

Nach knapp zwei Stunden steht schon wieder die Seilfahrt nach übertage an. Der Ganzkörper-Kontaminationsmonitor, durch den alle beim Verlassen des sogenannten Kontrollbereichs hindurchmüssen, zeigt keine radioaktive Kontamination an; wie es auch zu erwarten war. Doch der Strahlenschutz wird hier sehr ernst genommen.  
Die Eindrücke sind so intensiv, dass die beiden Damen von der Bundesgesellschaft für Endlagerung, die uns die Anlage zeigten, noch immer mit Fragen gelöchert werden. Fast hätten wir darüber
unseren Zug verpasst; der Anstieg am Sandberg ist kurz, aber steil.
Auch, wenn es natürlich nicht die Hauptsache ist: Ein Foto unserer Gruppe vor den berüchtigten gelben Fässern, die jedoch nur schwach strahlende Abfälle aus dem laufenden Betrieb des Endlagers enthalten, gab es auch noch. Doch gruselig ist dort unten im Berg wirklich gar nichts. Der Betrieb ist sicher, die beherrschenden Themen sind stattdessen: Wissenschaft und Technik. Wir konnten sie hautnah erleben.

Dr. Christoph Ilgner, Lehrbeauftragter

Weiterführende Informationen, auch zur Möglichkeit einer Befahrung der anderen Sohlen des Bergwerks unter

https://www.bge.de/de/morsleben

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